Saarländische Verhältnisse - Rechte Aktivitäten im Saarland und saarlandnahen Raum

Rechte Aufkleber wurden ebenso massiv verklebt und fanden bzw. finden sich beispielsweise rund um den Kleinen und Großen Markt. Wieder ein Zeichen für den Ruf der Stadt Saarlouis als relativ ruhiger Aktionsraum für Nazis im Saarland, da die Flyer laut Berichten völlig unbehelligt verteilt werden konnten. Deutlich wird hieran auch, wie stark die Rechten auf die neue Kampagne und das Identitäts-Topos setzen, das von rechten französischen Gruppen aufgrund des dortigen, medialen Erfolges adaptiert wurde. Auch wenn Aussagen, wie jene, dass die Gründung einer Familie ein rebellischer Akt wäre, doch eher zum ungläubigen Kopfschütteln animieren, sollte dieser Kampagne und ihren rassistischen Deutungsversuchen entgegengetreten werden.
Saarlouis war aber nicht nur wegen der Verteilung von Flyern ein Schauplatz für Protagonistinnen und Protagonisten der rechten Szene.
Am 15. und 24. Mai fand der Gerichtsprozess gegen Detlef Appel, NPD Brandenburg, am Saarlouiser Amtsgericht statt. Appel wurde vorgeworfen, während der sog. „Deutschlandtour“ der NPD in Saarlouis ein Auto in eine Gruppe GegendemonstrantInnen gelenkt zu haben. Marcus Großmann, ebenfalls ein Nazi-Kader, wurde in einem getrennten Verfahren vorgeworfen, die GegendemonstrantInnen mit einem Feuerlöscher und einem Schirm angegriffen zu haben. Einige wurden dabei verletzt und mussten ärztlich, z. T. sogar über Tage hinweg im Krankenhaus behandelt werden. Am ersten Verhandlungstag des Prozesses von Detlef Appel war die Atmosphäre für die geladenen nicht-rechten ZeugInnen sowie nicht-rechte ProzessbeobachterInnen düster und gefährlich: Beinahe der gesamte Verhandlungssaal war mit NPD-Kadern (u. a. Frank Franz und Peter Marx) und Nazis aus dem Kameradschaftsumfeld besetzt. Am zweiten Verhandlungstag konnte die Stimmung aufgrund großer Solidarität aus dem gewerkschaftlichem Umfeld weniger bedrohlich gestaltet werden, da viele Nicht-Rechte den Prozess verfolgten und viele Nazis auf diese Weise nicht in den Raum gelangten. Auch wenn die Sicherheit während des Verfahrens durch die Polizei sichergestellt wurde, war es für die ZeugInnen beängstigend, da alle Angaben zu Wohnort oder beruflicher Tätigkeit offen angegeben werden mussten, die damit nun im rechten Milieu bekannt sein dürften. Die Aussagen, die durch rechte ZeugInnen Gericht getätigt wurden, waren offensichtlich unrichtig, widersprachen sie doch vollständig der Darstellung der ZeugInnen von Polizei und GegendemonstrantInnen.
Am 24. Mai stellte das Amtsgericht das Verfahren gegen Appel unter einer Auflage einer Zahlung von 600 EUR für gemeinnützige Zwecke ein, was bereits in einer Pressemitteilung von Jusos, DGB-Jugend und NDC Saar e. V. am 30. Mai als „absolut unverständlich“ bewertet wurde.
Im davon getrennt verhandelten Verfahren zu den Vorwürfen gegenüber Marcus Großmann am 31. Juli wurde die Vernehmung der ZeugInnen getrennt: Die Rechten am Vormittag, Nicht-Rechte am Nachmittag. Auch dieses Verfahren wurde über den Vormittag anscheinend von einem großen Nazi-Aufgebot begleitet, wohingegen am Nachmittag lediglich u. a. Peter Marx und Nils Kandar (NPD Saar) anwesend waren. Auch hier wurde das Verfahren eingestellt, unter Auflage einer Zahlung von 2.500 EUR. Dies führte erneut zu bestürzten Reaktionen, da Großmann zum Zeitpunkt der Tat wegen anderer Vergehen bereits verurteilt war und unter Bewährungsauflagen stand. Wurde noch bei Gericht am 31. Juli eine Einstellung des Verfahrens wegen eines möglichen hohen Strafmaßes und der laufenden Bewährung Großmanns abgelehnt und weitere Verfahrenstermine vereinbart, so wurde im Nachgang des Verhandlungstages das Verfahren eingestellt. Ein weiterer Erfolg für den Anwalt Peter Richter, der nicht nur Großmann sondern auch Appel vertrat und für die NPD auf Platz drei der Landesliste kandidiert.
Durch die Einstellung des Verfahrens müssen nun andere ZeugInnen, wie beispielsweise Dr. Helmut Albert, Leiter des saarländischen Verfassungsschutzes, nicht mehr aussagen. Der saarländische Verfassungsschutz hatte sich zuvor dem Wunsch des Gerichtes verweigert, die zur Beobachtung der NPD-„Deutschlandtour“ eingesetzten Personen vor Gericht aussagen zu lassen. Die Aussagen von MitarbeiterInnen des VS hätten, so steht aufgrund angefertigter Bilder und guter Betrachtungspositionen zu vermuten, durchaus zu der genauen Aufklärung des Tathergangs und einer Verurteilung beitragen können. Wie schon beim Prozess von Detlef Appel gab es so anscheinend auch in diesem Fall keine umfassende Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den Justizbehörden.
V.i.S.d.P.: NDC Saar e. V., Mike Kirsch, Fritz-Dobisch-Straße 5, 66111 Saarbrücken