Dresden. Laut der neuen FES-Mitte-Studie „Die distanzierte Mitte“, deren Ergebnisse am 21.09.2023 in Berlin vorgestellt wurden, ist der Anteil von Menschen in Deutschland mit klar rechtsextremer Orientierung gegenüber dem Niveau in den Vorjahren erheblich angestiegen. So teilt jede zwölfte befragte Person ein rechtsextremes Weltbild. Zudem sinkt das Vertrauen in die Demokratie – immer mehr Menschen zweifeln an der Glaubwürdigkeit der regierenden Parteien.
Die Mitte-Studie wird regelmäßig von der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. (FES) durchgeführt. Sie beleuchtet rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen und Hintergründe und will zur Debatte anregen. Bei der Vorstellung der aktuellen Studienergebnisse formulierte Studienleiter Andreas Zick gestern die Frage, ob wir zukünftig bereit sind, in Demokratie mehr zu investieren. FES-Vorsitzender Martin Schulz teilte den Gedanken, dass die „Zeit der Gemütlichkeit“ offensichtlich vorbei ist.
Ralf Hron, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks für Demokratie und Courage e.V. (NDC), war bei der Vorstellung der neuen Mitte-Studie vor Ort. Sein Resümee: „Die Ergebnisse werfen für mich grundsätzliche viele Fragen auf. Die Distanz zur Demokratie, die Übereinstimmung mit menschenverachtenden Einstellungen nimmt zu. Und zwar deutlich. Die Krisen lassen viele Menschen in der Mitte der Gesellschaft zweifeln.“
Bemerkenswert ist beispielsweise, dass laut Studie 30 % der befragten Personen der Aussage zustimmen: „Die regierenden Parteien belügen das Volk.“. Im Vergleich zur letzten Mitte-Studie vor zwei Jahren sind das fast doppelt so viele Teilnehmende. Die Demokratie wird mit ihren Grundprinzipien, Abläufen und Institutionen von immer mehr Menschen zunehmend mit Distanz betrachtet, das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie sinkt.
Ralf Hron sieht hier ein großes Achtungszeichen: „Dieses Ergebnis sollte jede_n Abgebordnete_n und jede Partei massiv nachdenken lassen. Erstens zu der Frage: Was und wie kommunizieren wir? Und zweitens: Was sind wir bereit, in Ländern und Bund für die Demokratie zu investieren? Hier sind alle demokratischen Parteien angesprochen.“
Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass eine demokratiefeste Mitte auf klare Distanz zu den Feinden der Demokratie geht. Doch die Feindseligkeit gegenüber der Demokratie steigt prozentual laut der neuen Mitte-Studie an:
„Jede zwölfte Person in Deutschland teilt ein rechtsextremes Weltbild. Mit 8 % ist der Anteil von Befragten der Mitte-Studie 2022/23 mit klar rechtsextremer Orientierung gegenüber dem Niveau von knapp 2 bis 3 % in den Vorjahren erheblich angestiegen. Dabei befürworten mittlerweile über 6 % eine Diktatur mit einer einzigen starken Partei und einem Führer für Deutschland (2014-2021: 2-4 %).
Über 16 % behaupten eine nationale Überlegenheit Deutschlands, fordern »endlich wieder« Mut zu einem starken Nationalgefühl und eine Politik, deren oberstes Ziel es sein sollte, dem Land die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zustehe (2014-2021: 9-13 %). Zudem vertreten die Befragten mit fast 6 % vermehrt sozialdarwinistische Ansichten und stimmen zum Beispiel der Aussage zu »Es gibt wertvolles und unwertes Leben.«“
Quelle: Mitte-Studie 2022/23
Hron hierzu: „Dies ist eine alarmierende Entwicklung. Sie zeigt umso mehr, wie wichtig ein klares Statement für Gleichberechtigung und gegen menschenverachtende Einstellungen und Handlungen ist. Eine Stärkung der Menschen, die die Demokratie schützen und einen respektvollen Umgang miteinander fördern wollen, ist wichtiger denn je. Insbesondere mit Blick auf anstehende Wahlen braucht es eine klare Mehrheit an Befürwortern demokratischer Prozesse und Strukturen.“
Hierfür setzt sich das NDC täglich an Schulen, in Vereinen und Verbänden und in Unternehmen ein. In 13 Bundesländern agiert es als ein Netzwerk, in dem sich junge Menschen freiwillig für eine demokratische Kultur und gegen menschenverachtendes Denken und Handeln engagieren. Bundesweit bildet das NDC Freiwillig Engagierte aus, die Schul-Projekttage und Seminare zu Themen wie Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere menschenverachtende Einstellungen umsetzen. Ziel der jeweiligen Veranstaltungen ist es, Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu mehr Zivilcourage und demokratischem Handeln zu ermutigen.
Gern stehen wir Ihnen für Fragen und weitere Auskünfte zur Verfügung.