Antidemokratische und menschenverachtende Phänomene an sächsischen Schulen stellen keine Ausnahme dar. Die Anzahl angezeigter Vorfälle ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. So sind Schulen jeder Schulform z.B. mit Hakenkreuzschmierereien, Hitlergrüßen oder volksverhetzenden Inhalten in Klassenchats konfrontiert. Besonders in der Schule ist es geboten, demgegenüber eine klare Haltung zu beziehen und Menschenrechte zu verteidigen.
Aus diesem Grunde fanden sich rund 100 Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter_innen und pädagogische Fachkräfte zum Austausch unter dem Titel „Jetzt erst recht! Demokratie in Schule gestalten“ am 26. September 2024 in Oschatz zusammen.

Autoritäre Dynamiken, Unzufriedenheit mit der Demokratie und was Schule dem entgegensetzen kann
Der Fachtag wurde durch zwei Impulse eröffnet, die sich auf unterschiedliche Weise der Frage näherten, wie Erfahrungen von demokratischer Teilhabe und Selbstwirksamkeit im Schulalter dazu beitragen können, Menschen in der Entwicklung eines stabilen demokratischen Bewusstseins zu begleiten.

Dr. Johannes Kiess (Else-Frenkel-Brunswik-Institut, Uni Leipzig) stellte zunächst Ergebnisse zweier verschiedener Studien vor (u.a. EFBi „Die rechtsextreme Einstellung in den ostdeutschen Bundesländern“) und skizzierte die hohen Zustimmungswerte zu menschenverachtenden und antidemokratischen Einstellungswerten: Das antidemokratische Potential als Grundlage für rechtsextreme Einstellungen ist nicht nur aktuell, sondern dauerhaft vorhanden und damit beständig eine Gefahr. Dieses Potential wird momentan in hohem Maße durch rechte Akteure mobilisiert und in Wahlergebnisse überführt.
In den Ergebnissen der zweiten Studie stellte Dr. Johannes Kiess den Wert von Demokratie-Lernen als Schutzfaktor heraus. Die Studie untersuchte den Einfluss schulischer Erfahrungen auf die individuellen politischen Einstellungen und das Vertrauen in politische Institutionen. Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass die demokratischen Erfahrungen sowie Beteiligung in Schulen einen weit höheren Effekt haben als Abschluss, Einkommen, Geschlecht oder das politische Wissen. Das Erleben von demokratischen Abläufen und von eigener Handlungsfähigkeit in Schule und im Jugendalter stärkt die demokratische Haltung.
„Beteiligung und das Erfahren von Selbstwirksamkeit gehören zu den effektivsten Faktoren, um demokratiefeindlichen Haltungen vorzubeugen. […] Die Demokratie-Erfahrung in Schule hat einen enormen Einfluss auf die individuellen politischen Einstellungen.“
Dr. Johannes Kiess
Schule partizipativ gestalten

Im Anschluss ergänzte Jamila Tressel (Schule im Aufbruch) diese These in ihrem Impuls durch ganz praktische Umsetzungserfahrungen: Sie erzählte von eigenen Kämpfen und Problemen in einem Schulsystem, das Schüler_innen oftmals in erster Linie Fachwissen vermittelt, ohne ihnen individuelle Entfaltungsräume bieten zu können. Und berichtete anschließend von ihrem Weg in einer Schule, die mehr Freiheit, mehr Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit bot und ihr somit auf dem Weg zum Abitur auch zahlreiche soziale und demokratische Kompetenzen mitgab.
Jamila Tressel fordert dazu auf, Schulen demokratisch zu stärken und die Lern- und Schulkultur als entscheidendes Mittel für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu begreifen. Dafür würde eine umfassende Bildungstransformation benötigt. Jedoch ist auch das alltäglich Handeln im Schulalltag entscheidend, sowie der „heimliche Lehrplan“, also all das, was mitschwingt – die gelebte Erfahrung und Haltung. Hilfreich ist es, sich die Frage zu stellen „Was vermitteln wir hier gerade?“
„Was wirklich zählt sind Wertschätzung, Beziehung, Partizipation, Verantwortung und Sinnstiftung.“
Jamila Tressel
Gemeinsam stützen und zusammenarbeiten

Wie sich Schule bzw. Akteur_innen in Schule aufstellen können, um auch in kleinen Schritten Räume für Mitgestaltung zu schaffen, vertieften wir in der anschließenden Workshop-Phase: Von inklusiver Demokratiebildung in unterschiedlichen Schularten über den Umgang mit Desinformation und rechtem Gegenwind bis zur Stärkung der eigenen Widerstandfähigkeit setzten sich die Gäste unseres Fachtags mit Fragen und Impulsen auseinander, geleitet und unterstützt durch die Expert_innen, die wir für den Tag gewinnen konnten.




Mit vielen Impulsen und Eindrücken sowie sicherlich so mancher konkreten Umsetzungsidee im Kopf haben wir den Fachtag am Nachmittag beendet. Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Beteiligten des E-Werkes, die mit organisatorischem Geschick, viel technischem Fachwissen und ihrem überaus köstlichen kulinarischen Angebot dazu beigetragen haben, dass wir uns vor Ort so wohlgefühlt haben und der Fachtag ein voller Erfolg und Lichtblick in sonst oftmals trüben politischen Zeiten werden konnte.
Nur zusammen können wir wirkungsvoll an einer demokratischen Schule arbeiten
Wir danken allen engagierten teilnehmenden Pädagog_innen und freuen uns auf die nächsten Schritte in der Entwicklung und Ausgestaltung demokratischer Teilhabe an sächsischen Schulen.
Wir bedanken uns weiterhin bei der Friedrich Ebert Stiftung Sachsen sowie beim Demokratie-Zentrum Sachsen für die finanzielle Unterstützung.
Weitere Informationen und Ansprechpersonen im Arbeitsbereich Schulberatung in Sachsen finden sich auf unserer
Kontakt
NDC Sachsen
Landeskoordination Schulberatung
Elisabeth Adler, Matthias Brauneis
zur Zeit vertreten durch: Alex Schuster
+49 351 4810071
+49 173 2603212
Leitung Projekte an allgemeinbildenden Schulen
Kooperation/Förderung
Der Fachtag fand in Kooperation mit der FES Sachsen statt, wurde gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.